29. November 2014 von Gregor
Zurzeit finden montags ja an allen Ecken dieser Stadt spannende politische Veranstaltungen statt. Unter anderem wurde so letzten Montag beim Dresdner Umweltgespräch über die Zwischennutzung von Brachflächen diskutiert. Während das GartenNetzwerk seine Flächennutzungskonzepte an Infoständen präsentierte, kam von anderer Stelle auf dem Podium die Frage auf, warum Gärten eigentlich überhaupt Zwischennutzungen sein sollten …
Montag Abend gab es nicht nur einen Auflauf besorgter Patrioten, sondern auch gleichzeitig viele Leute, die ziemlich vernünftige Gespräche dazu führten, wie Dresden mit der neuen Asylsituation umgehen kann.
Die derzeitige Vervielfachung der Asyl-Zahlen ist eine der Herausforderungen, um die sich derzeit die verschiedensten Diskussionen darüber entspinnen, wie Dresden sich weiterentwickeln könnte, sollte oder möchte.
Auch Verbindungen zu den Freiräumen und Gärten in der Stadt tun sich auf:
Nachdem schon Anfang des Jahres Pläne veröffentlicht wurden, denen zufolge auf dem Gelände der Internationalen Gärten ein Parkhaus gebaut werden soll, sind derzeit erste Überlegungen zu vernehmen, ein neues Heim für Asylsuchende am Strehlener Platz zu errichten – auf einer Fläche, auf der seit diesem Jahr der Apfelgarten wächst.
All diese Themen schnitt jedenfalls letzten Montag das Dresdner Umweltgespräch, bei dem zuerst ein Experten-Podium und im Anschluss ein ganzer Veranstaltungssaal über die Zwischennutzung von Brachflächen diskutierte.
Die von Umweltamt und Umweltzentrum organisierte Veranstaltungsreihe, die in den letzten Woche schon einige spannende Themen beleuchtete, brachte auch diesmal zahlreiche Besucher ins Haus an der Kreuzkirche. Nicht nur der Saal war gut gefüllt, auch das Foyer: bunt von Infotischen und -wänden des GartenNetzwerks, des Freiraum Elbtals, des Wächterhaus-Vereins HausHalten und einer musikalisch-künstlerischen Installation der Tagträumer.
Den Abend eröffnete Stephan Teller, Sachgebietsleiter für Brachflächen im Umweltamt, mit einer Erklärung darüber, wie sein Amt Flächen zur Zwischennutzung vermittelt, wenn deren Eigentümer sie “verlottern” lassen.
Landschaftsarchitektin Ina Franzke ergänzte diesen Impuls mit ihren Erfahrungen aus künstlerischen und gärtnerischen Projekten, die sie auf Dresdner Brachen initiiert hat. Eines davon, der seinerzeit in Kooperation mit dem Stadtplanungsamt begonnene Aprikosengarten in Pieschen, steht aktuell vor einer beträchtlichen Verkleinerung, weil auf dem Gelände eine Grundschule gebaut wird.
Die anschließende Diskussion widmete sich vor allem der Frage, wie Zwischennutzungen durch Gärten oder andere Freiraumprojekte so gestaltet werden können, dass Eigentümer oder Stadt ihre Flächen gerne für einige Zeit dafür hergeben.
Das von Journalist Denni Klein in gewohnt spritziger Weise moderierte Podium wurde ergänzt durch vier weitere Diskutanten:
Christian Rietschel von Haus und Grund e. V. war eingeladen, die Perspektive der privaten Eigentümer zu vertreten, und erzählte uns in dieser Rolle, dass Eigentümer meist ungern ihre Grundstücke für Zwischennutzungen bereitstellen würden, weil am Ende der Abschied so schwer falle. Damit schnitt er jenes Dilemma an, das tatsächlich immer zu beobachten ist, wenn bürgerschaftliche Projekte nach vielen Jahren wichtiger Arbeit für die Kultur des Stadtteils in ihrer Existenz bedroht werden, weil die Eigentümer ihre Fläche verkaufen wollen – was an sich allerdings nur konsequent der Logik der zuvor getroffenen Vereinbarung folgt.
Rechtsanwalt Andreas Henke beantwortete alle Fragen des Moderators dazu, wie Zwischennutzungen rechtlich abgesichert und ausgestaltet werden können (oder auch nicht).. Interessanter Tipp außerdem von seiner Seite: Um herauszufinden, wem eine brachliegende private Fläche gehöre, einen Notar fragen, weil der ohne Begründung Einsicht ins Grundbuch nehmen kann. Wenn man das nötige Kleingeld hat, könne man so schnell eine Auskunft bekommen.
Alexander Heber, freier Architekt und Mitglied des HausHalten e. V. brach dann eine Lanze für synergetische Zwischennutzungen, bei denen sowohl kreativen Nutzern wie auch den Eigentümern nur Vorteile entstünden: Er berichtete von Wächterhäusern und anderen Projekten, die die jeweilige Immobilie auf eigene Kosten erhalten und weiter entwickeln und dabei Mehrwert für die Eigentümer und die Kreativ-Szene gleichermaßen schaffen. Er meinte, viele solcher Projekte würden bei Auslaufen der Nutzungsvereinbarung anstandslos die Zelte abbrechen und an anderem Ort neue wieder aufbauen. Dazu, betonte er, wäre aber eine Stadtkultur hilfreich, in der es selbstverständlicher ist, solchen Projekten Raum zu geben.
Detlef Thiel, Leiter des Amts für Stadtgrün und Abfallwirtschaft, bat dann nicht nur städtische Grünflächen zur Nutzung und Gestaltung durch bürgerschaftliche Aktivitäten an, sondern empfahl Interessierten, die keine institutionelle Struktur zur Verfügung haben, auch, sich bei den UFER-Projekten zu melden. Er betonte auch, dass Gärten für das Leben in einer Stadt so immens wichtig seien, dass ihre Erhaltung und Verbreitung – auch angesichts all der anderen Ansprüche an die Stadtentwicklung – unbedingt in Erwägung gezogen werden sollte.
Entsprechend stark setzt er sich auch dafür ein, dass die Internationalen und benachbarten Kleingärten – wenn sie schon einem Parkhaus weichen müssten – neue Flächen und städtische Unterstützung für den Umzug dorthin bekommen.
Auch möchte er helfen, eine Lösung für den Apfelgarten zu vermitteln, sodass ein neu entstehendes Asyl-Heim sich mit dem Garten die Fläche teilen und damit lebendige Begegnung ermöglichen könne.
Detlef Thiel und Ina Franzke schlugen letztendlich vor, den Gedanken, Gärten seien in der Stadt nur Zwischennutzungen, hinter sich zu lassen und stattdessen die Potenziale von Stadtteilen als Lebensraum für Menschen wachsen zu lassen, indem Gärten als grundlegende Bestandteile derer angelegt werden.
Zukünftig werden wir durch den Klimawandel und andere menschliche Krisen nicht nur zunehmende Flüchtlingsbewegungen erleben, sondern auch immer deutlicher spüren, dass wir grüne Orte in der Stadt brauchen, die einerseits klimatische Extreme ausgleichen und andererseits neue Begegnung in sich wandelnden Lebensbedingungen ermöglichen.
Insofern ist die Frage an der Stelle wohl:
Wie lange wollen wir die anderweitige “Zwischennutzung”
der noch nicht begärtnerten Flächen noch aufrecht erhalten?