10. Februar 2015 von Sebastian
Achtung. Es folgt ein längerer Text, den wir empfehlen möchten, in ganzer Länge zu lesen. Wir möchten unsere Sichtweise auf die aktuell wellenschlagenden Entwicklungen mit euch teilen:
In den letzten Monaten ist in Dresden einiges in Bewegung gekommen und die Stadt scheint nicht mehr zum Normalzustand zurückzukehren.
Fragen zu Immigration, gesellschaftlicher und Stadtentwicklung werden hier wie da auf der Straße und zunehmend auch an anderen Orten des öffentlichen Lebens erörtert.
Und langsam beginnen die Fragen sich zu verändern: Weg vom allgemeinen, wer eigentlich wie (in) Zukunft gestalten und an der Stadt teilhaben solle, hin zu Überlegungen, darüber, was denn nun konkret zu tun sei…
Die derzeitige Situation geht uns, den Menschen bei UFER, ziemlich nahe – wir sind berührt und getroffen. Da ist – ganz ehrlich – manchmal auch ein Gefühl der Überforderung, angesichts der Heftigkeit der aktuellen Entwicklungen.
Herausforderungen, denen wir nur zusammen begegnen können
Zunächst sehen wir die zunehmende Migration als eine Aufgabe und Chance an. Zugleich betrachten wir sie als einen Teil noch viel weitreichenderer Herausforderungen: Im Kontext von Klimawandel, schwindenden Ressourcen und politischer Krise wird sich unser Lebensumfeld ohnehin grundlegend verändern. Auch darin sehen wir Aufgaben und Chancen, die wir mitgestalten möchten, voller offener Fragen, die wir uns in den Gärten schon zu stellen versuchen.
In Anbetracht der gegenwärtig sehr lauten und unverhohlenen Geschehnisse wird uns aufs Heftigste deutlich, wie immens groß – aber auch zunehmend greifbar – die Herausforderungen werden, die da auf die innere Entwicklung unserer Stadtgesellschaft zukommen. Angesichts dessen möchten wir zuallererst anerkennen, dass die Aussicht auf die kommenden Veränderungen Menschen Sorgen oder sogar große Angst machen.
Jedoch: Im Gros dessen, wie diese sich zurzeit Bahn brechen, sehen wir kaum hilfreichen Beitrag.
Denn Megafon, Sprechchor und Plakat, Beißreflex, Lippenbekenntnis und Moralkeule können weder kurz- noch mittelfristig Grundlage sein für tragfähigen Dialog und Miteinander.
Dazu braucht es aus unserer Sicht mehr.
Mehr gegenseitige Geduld, mehr Besonnenheit in der Kommunikation, mehr Beteiligung und die (wohl sehr demokratische) Fähigkeit, Dissens auch mal aushalten zu können.
Zugleich besteht an dieser Stelle eine wesentliche Entscheidung für uns darin, nicht mit (noch mehr) Ab- und Ausgrenzung darauf zu reagieren, sondern all unsere Kraft der Vision einer weltoffenen Stadt für alle zu widmen:
Echte Teilhabe und wertschätzenden Austausch zu ermöglichen, ist uns in den Gemeinschaftsgärten ein Anliegen, wir versuchen, diese konkreten Orte zu Räumen der Begegnung zu machen, sie offen und vielfältig zu gestalten, auf dass Menschen sich dort gegenseitig hören und sehen (lernen) können. Denn – auch das merken wir – Dialog und Miteinander gelingen zu lassen, ist manchmal langwierig, nicht immer einfach, ein Lernprozess eben.
In den Gärten stellen wir uns der Frage, wie unsere Gesellschaft und Lebensweisen im Einklang mit den Bedürfnissen aller Beteiligten gestaltet werden können. Umso mehr, als die Prozesse, welche dieser Tage so greifbar werden, ja in besagte, viel umfassendere Umbrüche eingebunden sind, die in den nächten Jahren auf uns zu kommen.
Für uns liegt all dem das Gefühl wie auch das Verständnis zugrunde, dass wir ohnehin alle im gleichen Beet sitzen.
Dabei können wir es uns nicht mehr leisten, in Kategorien wie Richtig und Falsch zu denken, oder die eine Lösung zu suchen: Wir brauchen vielfältige Ansätze, die einander ergänzen und inspirieren, Mut zu Fehlern und ehrlichen Umgang damit. Deshalb setzen wir uns auch weiterhin für ein vielfältiges, buntes, lebendiges Dresden ein, eines, das mit seinen Konflikten und Schwierigkeiten umgehen lernt, das darin liegende Chancen zu erkennen lernt.
Was wir beitragen möchten
In diesem Sinne haben wir bei UFER-Projekte in diesem Jahr vor:
- Den entstehenden, interkulturellen Garten in Gorbitz wollen wir nach Kräften unterstützen, dort ist das Anliegen, unmittelbar mit geflüchteten Menschen aus diesem Stadtteil zusammenzuarbeiten und mit ihnen Garten zu gestalten.
- In Kooperation mit dem ÖIZ und den Internationalen Gärten Dresden planen wir außerdem eine Veranstaltungsreihe, die den Fokus darauf richten soll, wie sehr das Gärtnern sich als roter Faden quer durch alle Kulturen zieht, wie sehr es verbindet, wie Gärten, wo immer sie auch sein mögen, Zuhause und Verwurzelung bieten können für Menschen, egal wo sie sind und woher sie kommen.
- Und natürlich sind wir in unseren Gärten selbst gerade dabei auszuloten, wie konkrete Angebote aussehen können, dass sie für Geflüchtete im Speziellen wie auch dem Erlernen von Dialog und Miteinander aller wirklich hilfreich sein können.
Wenn ihr dabei mit uns zusammenarbeiten, oder uns unterstützen wollt, Anregungen und Ideen habt, seid herzlich willkommen. Schreibt uns, kommt (mit dem Frühling) in die Gärten und bringt euch ein. Let’s do this!