6. Oktober 2020 von Gesine
Letztes Wochenende hieß es in der Alten Gärtnerei Schnippeln, Häckseln, Pressen, Rühren und Kochen. Pünktlich zum Erntedankfest verarbeiteten wir im Workshop „In den sauren Apfel beißen“ Äpfel, Birnen und Quitten zu allerlei leckeren und gesunden Lebensmitteln. Es hatten sich Kernobstfreunde allen Alters zusammengefunden, um Neues zu lernen und das eigene Repertoire zu erweitern.
Zuhause oder bei den Nachbar*innen stehen meist eigene Obstbäume, deren viele Früchte verarbeitet werden wollen und so wurde bereits einiges an Obst durch die Teilnehmenden mitgebracht. Zusätzlich hatte das Team der offenen Gemeinschaftsküche zuvor reichlich Früchte auf Streuobstwiesen geerntet.
Vor der Praxis gab es aber einen kurzen Exkurs in die Geschichte des Obstanbaus in Europa und die verschiedenen Techniken des Konservierens. Wusstet ihr, dass Äpfel für den Sofortverzehr frisch vom Baum süß, Lageräpfel aber sehr sauer schmecken? Viele Menschen wissen nicht, dass der Baum im eigenen Garten eine Lagersorte ist und ärgern sich vielleicht über die sauren Früchtchen. Die Lösung: Äpfel mehrere Wochen bis Monate kühl und trocken lagern vor dem Verzehr. Je nach Sorte kann man sich den gesamten Winter und Frühling an der Ernte erfreuen.
Wenn es um das Haltbarmachen durch Verarbeitung geht, kann man das mikrobielle Leben auf unserem Essen verhindern, verlangsamen oder unterstützen. Je nach Methode werden dabei Nährstoffe vermehrt, verlagert oder verringert. In diesem Workshop widmeten wir uns allen drei Möglichkeiten, inklusive Naschen.
Das Wetter hatte es gut mit uns gemeint. Sonne und Wärme begleiteten das bunte Treiben den ganzen Tag. Zwischen den einzelnen Verarbeitungsstationen konnte jederzeit gewechselt werden und so bekam man einen guten Einblick in alle Arbeitsschritte. Egal ob Früchte waschen und schnippeln, auf dem Fahrradbetriebenen Mußer strampeln oder Apfelringe drehen. Überall gab es Interessantes zu erleben und spannende Gespräche zu führen.
Neben Saft als Hauptprodukt des Tages erhielten wir auch noch eine Einführung in die Herstellung von Apfelkraut, Apfelessig und Cider.
Für den Saft zerkleinert man die gewaschenen Früchte stark im Mußer (Zuhause durch Raspeln oder einer Küchenmaschine) und presst dann den Saft heraus. Kurz auf 78°C erhitzt ist er fertig für die Abfüllung in sterile Behältnisse in denen er sich gut ein Jahr oder länger hält.
Apfelkraut wird aus kleingeschnittenen Äpfeln oder Birnen und Apfelsaft zubereitet, am besten über dem offenen Feuer. Man lässt es mehrere Stunden so lang einkochen, bis eine dicke, dunkle Masse entsteht, die in ihrer Konsistenz an Sirup erinnert. Apfelig-intensiv süß-sauer und leicht rauchig ist Apfelkraut ein prima Brotaufstrich.
Für Apfelessig nutzten wir die geschredderten, ausgepressten (aber nicht zu trockenen) Fruchtreste aus dem Mußer (Trester genannt) und eine sogenannte „Essigmutter“. Diese ist ein leicht glibberiger Verband von Essigsäurebakterien. Über einige Wochen setzen diese den Zucker aus den Apfelresten unter Sauerstoffzufuhr zuerst in Alkohol und dann in Essig um. Die Mutter kann einfach für den nächsten Ansatz aufbewahrt werden.
Klassischen Cider schließlich setzt man mit Apfelsaft und Weinhefen am besten in einem Weinballon an. Schon nach zwei Wochen haben die Hefebakterien allen Zucker zu sprudeligem Apfelwein umgesetzt. Das gleiche Prinzip funktioniert auch mit allen anderen Früchten.
In der Mittagspause gab es eine leckere Suppe mit Gartengemüse und für alle Mutigen einen Löffel Zierquittenmuß zum Verkosten. Dieser fällt bei der Saftproduktion in der Küchenmaschine an und ist quietschsauer, dafür aber super vitaminreich. Am Ende dieses ereignisreichen Tages hatten wir alle nützliche Tipps ausgetauscht und waren voller Motivation, Zuhause selbst Essig und Cider herzustellen. Zu guter Letzt konnten alle gegen eine Spende etwas vom frisch gepressten Saft mit nach Hause nehmen.
Tipps fürs Aktivwerden Zuhause:
- Der Apfel stammt ursprünglich aus Asien und braucht in unserem Klima deshalb einen regelmäßigen, ausgiebigen Rückschnitt, bringt dann aber viele Jahrzehnte lang gute Erträge. Altbewährte und besonders lang haltbare Lagerapfelsorten sind zum Beispiel Ontario und Boskop
- Ihr habt keine Essigmutter? Fragt in euren Netzwerken nach! Oder züchtet eure Essigmutter selbst: Setzt den Apfeltrester mit Wasser und etwas unpasteurisiertem Essig (also mit natürlichem Mutteranteil) an und die Mutter wird sich nach einiger Zeit von selbst bilden.
Vielen Dank an Theresa für diesen Beitrag und an die fleißige Fotografin!