Koko – Offene Gemeinschaftsküche

Saures Kraut

22. April 2021 von Gesine

Heute möchte ich mich mal mit dem möglicherweise berühmtesten deutschen Nahrungsmittel beschäftigen: Sauerkraut.

Wie man es macht, weiß ich grundsätzlich – wir hatten dazu ja auch einen Workshop letztes Jahr. Auch, dass es sich dabei um eine Milchsäuregärung handelt, ist mir klar. Aber was genau bedeutet das? Was wird dabei wie umgewandelt? Und warum ist es dann plötzlich monatelang haltbar? Wie wirken sich verschiedene Parameter, wie Temperatur und Salzgehalt auf das Ergebnis aus?
Mal schauen, welche Antworten ich finden werden und in welche Tiefen der wissenschaftlichen Erkenntnis ich eintauchen kann.

Aber zuerst möchte ich kurz rekapitulieren, wie das mit dem Sauerkraut praktisch ging:

1. Den Kohl in feine Streifen schneiden
2. Mit Salz mischen → 1 bis 4 % hab ich da im Kopf oder so viel, wie ich lecker finde
3. Ordentlich durchkneten, bis alles von Wasser bedeckt ist
4. Optional Gewürze zugeben
5. In ein passendes Gefäß stopfen und dafür sorgen, dass nichts oben aufschwimmt.
6. Zunächst ein bisschen bei Raumtemperatur gären lassen und dann kühl lagern

Wer es nochmal konkreter nachlesen möchte, kann das z.B. hier tun oder hier ein längeres Video. Bei meiner schnellen Zusammenfassung kommen mir direkt ein paar Fragen zu den einzelnen Schritten auf:

1. Ist es relevant, wie fein ich das Kraut schneide?
2. Welchen Einfluss hat der Salzgehalt denn genau?
3. Welchen Einfluss hat das Kneten?
4. Wann ist genug und kann ich gegebenfalls auch einfach Wasser rein kippen?
5. Ist der Druck auf das Sauerkraut relevant?
6. Wie wirken sich Temperatur und Gärzeiten auf mein Sauerkraut aus?

Aber zunächst möchte ich wissen, was denn Milchsäuregärung eigentlich genau ist und steige dazu mit dem Wikipedia-Artikel über Sauerkraut [1] ein. Hier erfahre ich erste spannende Sachen, unter anderem, dass (nicht zu lange) gekochtes Sauerkraut mehr Vitamin C enthält als rohes.

Hier wird es erstmal noch komplexer. Zu den beiden oben genannten Milchsäuregärungen kommt noch eine Gärung durch Bifidobacterium dazu. Aber was ist jetzt der Unterschied?

Aber eigentlich bin ich wegen der Fermentation hier. Und lese, dass im industriellen Prozess drei Phasen ablaufen. Zunächst verbrauchen Essigsäurebakterien und Hefen den restlichen Sauerstoff und produzieren Ethanol, Säure und Ester. Erst danach kommen die ersten Milchsäurebakterien. Zunächst sogenannte heterofermentative Milchsäurebakterien und nach ein paar Tagen dann homofermentative.
Okay… Ich hab keine Ahnung, was der Unterschied ist und gehe deshalb weiter zur Milchsäuregärung [2]:

Homofermentative Milchsäuregärung
Hier wird aus einem Glucose-Molekül zwei Lactat-Moleküle, zwei Wassermoleküle und zwei ATP gebildet. ATP [7] ist ein Molekül, dass Energie innerhalb und zwischen Zellen transportieren kann und wird z.B. auch in unseren Körpern benötigt. (Auch in unseren Muskeln findet teilweise Milchsäuregärung zur Energiegewinnung statt, v.a. bei hohen Anstrengungen)
Hetereofermentative Milchsäuregärung
Hier kommt es auf die jeweiligen Bakterienkulturen an. Wahlweise bekommen wir aus einem Zuckermolekül ein Laktat- und ein Essigsäuremolekül oder ein Laktat-, Ethanol- und CO2-Molekül. Auch hier wird jeweils ATP gewonnen.
Bifidobacterium-Gärung
Die Bifidobacterium-Gärung ist für unser Sauerkraut nicht relevant, wandelt aber ebenfalls Glucose in Milchsäure und Essigsäure um.

Die genauen Summenformel und Ablaufschema findet ihr im Wikipedia-Artikel oder für die homofermentative Gärung hier.
Und welche dieser Fermentationen finden nun in unserem selbstgemachten Sauerkraut statt?
Dazu gibt es z.B. hier einen Ablaufplan: [5].

Kurz gesagt: Zunächst arbeiten vor allem Hefen und Essigsäurebakterien, dann die heterofermentativen und dann die homofermentativen Milchsäuren. Ganz am Ende werden schwer zu erschließende Zucker in Säure umgewandelt, was geschmacklich wohl nicht erwünscht ist.

Okay, dann will ich mich abschließend noch mit den Fragen beschäftigen, die ich mir weiter oben zu den einzelnen Prozessschritten gestellt habe.

1. Ist es relevant, wie fein ich das Kraut schneide?
Hier habe ich bisher nicht wirklich genaueres gefunden, aber im fairment Video wird zumindest erklärt, dass sich fein geschnittenes Kraut leichter kneten lässt und weicheres Sauerkraut ergibt. Grob geschnitten bleibt das Sauerkraut knackiger. Außerdem läuft die Fermentation durch die kleinere offenen Oberfläche wohl auch langsamer, aber dadurch auch stabiler und führt zu höherer Haltbarkeit. [8]

2. Welchen Einfluss hat der Salzgehalt denn genau?
In vielen Anleitungen wird zwischen 1 – 4 Gewichts-% Salz empfohlen. Häufig auch einfach 2 %. Aber was genau machen verschieden Salzgehalte?
Dazu gibt es hier eine Übersicht [3]:
“0 % Salz: Ohne Salz keine Wirkung, das Gemüse verrottet.
1 % Salz wirkt gegen viele schädliche Mikroorganismen.
1-3 % Salz ergibt die größte Vielfalt fermentierender Mikroorganismen und ein gutes Aroma.
3-5 % Salz ermöglicht Fermentation, aber schließt einige Mikroorganismen aus, z.B. Lactobacillus mesenteroides.
10 % Salz schließt alle Mikroorganismen aus. Man erhält Nahrung, die haltbar ist (in diesem Falle durch »pökeln«), aber nicht fermentiert.”

Wobei hier mindestens der letzte Punkt nicht richtig ist. Miso fermentiert z.B. auch noch bei Salzgehalten über 10 %. Botulinum-Bakterien sind hier aber dann auf jeden Fall ausgeschlossen. [8]

Ansonsten gilt:
Je mehr Salz, desto knackiger, langsamer, weniger aromatisch und sicherer wird das Kraut.
Im Sommer sollte man außerdem mehr Salz als im Winter verwenden, um die Fermentation gut kontrollieren zu können. [8]

Homofermentative Milchsäuren sind dabei salztoleranter und man erhält dadurch ein saureres Sauerkraut. Außerdem sorgt Salz auch für knackigeres Sauerkraut [3].

3. Welchen Einfluss hat denn das Kneten? Wann ist genug und kann ich ggf auch einfach Wasser rein kippen?
Der Druck beim Kneten sorgt dafür, dass die Zellwände zerstört werden und Wasser, Luft und Inhaltsstoffe aus dem Kohl entweichen können und der Gärprozess ordentlich in Gang kommen kann [4]. Je mehr geknetet wird, umso mehr Zellwände werden dabei zerstört und die Fermentation läuft entsprechend schneller [8]. Sollte nicht genug Wasser ausgeknetet werden können, kann man aber Salzlake zugeben. Vor allem bei lange gelagertem Kohl kann das notwendig werden, falls durch die lange Lagerung bereits zu viel Wasser verloren wurde. Private Quellen haben mir aber gezwitschert, dass das Sauerkraut durch die Wasserzugabe aber etwas fader/verwässerter wird.

5. Ist der Druck auf das Sauerkraut im Gärbehälter relevant?
Hier hab ich leider wieder nichts brauchbares gefunden. Aus meinem angelesenen Wissen schließe ich aber, dass man möglichst viel Luft aus dem Gefäß herausdrücken sollte, um möglichst wenig Fermentation durch Hefen und Essigsäurebakterien zu bekommen. Deshalb macht es vermutlich Sinn hier ordentlich Druck aufzubauen.

6. Wie wirken sich Temperatur und Gärzeiten auf mein Sauerkraut aus?
Zur Temperatur gibt es einen schönen Übersichtsartikel [6].

Hier wird für die Hauptfermentation eine optimale Gärtemperatur von 18 -22 °C empfohlen, also quasi Zimmertemperatur, wie auch in den Workshops empfohlen. Zu niedrige Temperaturen verlangsamen dabei den Milchsäureprozess, der pH-Wert sinkt nicht schnell genug und “böse” Bakterien können das Kraut verderben. Temperaturen über 20 °C dagegen beschleunigen die Säureproduktion und es kommt zu einem “grünen”, unreifen Geschmack. Also eher ein geschmackliches als gesundheitliches Problem. Für diese beiden Aussagen beruft sich die Seite auf das “Handbook of Functional Fermented Foods”, welches 15 – 20 °C empfiehlt.

Also:
zu kalt –> das Sauerkraut kann verderben
zu warm –> das Sauerkraut schmeckt schlechter und wird schneller weich

Wie wir aber in Quelle [5] gelernt haben, findet nach der gewünschte Gärung auch noch eine geschmacklich unerwünschte Fermentation statt. Diese können wir mit niedrigen Temperaturen hemmen, also ab in den Keller oder Kühlschrank (oder die Erdmiete) mit dem fertigen Sauerkraut!
Aber wann genau soll das passieren? Dazu hab finde ich leider keine exakten Angaben (was vermutlich bei wilder Fermentation ohne exakte Temperatursteuerung auch nicht vorhersagbar ist). Deshalb hilft hier wohl nur probieren, den Geschacksnospen trauen und Erfahrungswerte.

Neben Erfahrungswerte sammeln und probieren gilt als Daumenregel, dass man das Kraut kaltstellen kann, sobald keine Flüssigkeit mehr aus dem Gefäß gedrückt wird. Für gute Haltbarkeit, also etwas saureres Kraut, noch zwei Wochen länger fermentieren lassen. Wenn man es professionalisieren möchte, kann man auch regelmäßig den pH-Wert messen. Durch zusätzliches probieren findet man den Punkt, an dem es persönlich am besten schmeckt und hat dann für die Zukunft einen messbaren Wert für das Fermentationsende. [8]

Ich hoffe ihr fandet meine Laienrecherche spannend oder sogar hilfreich. Vielleicht wisst ihr aber zu verschiedenen Punkten genaueres? Lasst uns bei der nächsten digitalen offenen Küchenzeit am 29.4., 20 Uhr drüber reden!

Liebe Grüße
Ehrli



[1]https://de.wikipedia.org/wiki/Sauerkraut

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Milchs%C3%A4ureg%C3%A4rung

[3] https://www.wildefermente.de/salz/

[4] https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/lebensmittel/kohlgemuese/typisch-deutsch-sauerkraut-100.html

[5] https://www.fairment.de/wissen/milchsaeure-milchsaeuregaerung/

[6] https://www.wildefermente.de/temperatur/

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Adenosintriphosphat

[8] UFER-interner Fermentationsexperte