Bei den UFER-Projekten arbeiten wir seit einigen Jahren daran, die Stadt krisenfester zu machen. Genügsamkeit, Selbstversorgung und Solidarität aufzubauen. Auch wenn wir jetzt keine praktischen Bildungsangebote mehr machen können, möchten wir hilfreiche Sachen, die wir in den letzten Jahren lernen und lehren durften, online weiter mit euch teilen. Deshalb könnt ihr an dieser Stelle jetzt immer wieder praktische Tipps für nachhaltiges, gesundes und solidarisches Leben – auch in der Krise – lesen. Wir hoffen, es hilft euch und freuen uns auf euer Feedback.
Heute: Alternativen zu Klopapier
von Gregor
Während 5% der Deutschen 93% der Klopapier-Vorräte gebunkert haben, fragen sich jetzt viele, wie sie ihren Hintern sauber kriegen können, wenn auch die Nachbarn keine Rollen mehr übrig haben, die sie gegen Milch und Seife tauschen.
Erfunden wurde das Hinternabwischen mit Papier wahrscheinlich im 14. Jahrhundert in China: Da wurden großformatige Papiertücher für den Kaiser hergestellt, der diese Form der Analhygiene scheinbar luxuriöser fand. Die erste Erwähnung in einer westlichen Gesellschaft findet sich erst im Frankreich des 16. Jahrhunderts.
Heute verbrauchen Deutsche durchschnittlich wohl um die 18 Kilo Toilettenpapierim Jahr. Das entspricht insgesamt fast 3 Milliarden Rollen. Genug, um die Erde rund 2000 mal zu umrunden.
Diesen März stieg die Nachfrage durch die Toilettenpapier-Krise auf das Dreifache – fragt man das ZDF, sogar auf das Siebenfache.
Wer vor leeren Regalen steht und sich nicht mehr anders zu helfen weiß, greift zu rabiaten Mitteln: Aus einer Kirche in Rösrath wurde Klopapier geklaut. Der Pfarrer brachte einen Zettel an der Tür an, dass er dem Dieb vergebe, ihm segensreiche Verwendung wünsche und die pastorale Absolution erteile. Allerdings möge er doch bitte mit anderen teilen.
Grund genug, uns mal nach Alternativen umzuschauen: Schließlich ist Klopapier ja eine ziemlich neue Erfindung in der menschlichen Geschichte – und wird auch heute in vielen Kulturen abgelehnt. Und dafür gibt es gute Gründe:
Toilettenpapier kann ungesund sein:
Vor allem, wenn es Chemikalien enthält, die allergische Reaktionen hervorrufen oder Hautreizungen bewirken können. Aber auch ohne die ist das trockene Wischen für viele Hintern nicht sehr gesund. Hautärzte raten schon länger dazu, Nassreinigung auszuprobieren, um schmerzhafte Stellen zu vermeiden.
Und es ist nicht gerade nachhaltig:
Wenn es nicht gerade Recyclingpapier ist, werden für die Herstellung frische Bäume gefällt. Oft wird das Holz sogar illegal geschlagen. Um daraus ein Kilo Papier herzustellen werden ungefähr 800 Gramm C02 in die Athmosphäre geblasen und um die 10 Liter Wasser verbraucht.
Toilettenpapier-Alternativen-Tester Daniel Hautmann meint dazu: „Man kann sich leicht vorstellen, dass bei diesen Arbeitsschritten Unmengen an […] Giftstoffen entstehen, gerodete Waldflächen zurück bleiben und reichlich Umverpackungen (ganz genau: Plastik) anfallen. Und wozu das alles? Ganz genau: fürn Arsch.“
Und dann wird es noch auf Schiffen, Lkw oder Zügen um die halbe Welt gefahren.
Ein engagiertes Plädoyer in dieser Sache findet ihr hier.
Wie aber kann man sonst seinen Hintern sauber bekommen und wie machen Leute das anderswo – oder wie machten sie es zu anderen Zeiten?
Historisch: Mit dem, was man in der Natur halt so finden konnte
- Schwämme: Die alten Römer*innen benutzten Schwämme (also abgestorbene Tiere aus dem Stamm der Schwämme. Die spießten sie auf Stöcke und nannten das Ganze Xylospongium. Nach dem Posaubermachen wurden sie in Salzwasser oder Essig getaucht, um sie zu reinigen. Historiker*innen vermuten, dass diese Praxis zur Ausbreitung von Krankheiten beigetragen hat, da die Schwämme gemeinschaftlich benutzt wurden (damals saß man ja auch noch nebeneinander auf den Donnerbalken, um sich dabei unterhalten zu können).
- Sand: Wüstenvölker nutzen heute noch Sand, aber sie haben auch genügend Platz, den benutzten zu entsorgen. Ihre Kolleg*innen in polnäher gelegenen Schneewüsten beutzen auch Schnee. Kann man nur hoffen, dass man immer genug unverharrschten Schnee findet.
- Blätter: Die alten German*innen sollen Mischungen aus Gras, Moos und Stroh benutzt haben, wobei Moos am besten klingt, aber zum fusseln neigt. In Südamerika ist es in manchen Gegenden noch üblich, die Hüllblätter von Maiskolben zu verwenden, hierzulande hat man früher auch die großen grünen Blätter der Pestwurz benutzt, weshalb sie in Bayern auch immernoch Arschwurz genannt werden (im englischen heißen sie übrigens butter burr, weil man die Butter darin eingewickelt hat).
- Stöckchen: Vor allem in Japan wurden früher die dort gānshǐjué (trockener Scheißstock) genannten Stöckchen benutzt, was manchmal einfache Zweige, manchmal aber auch extra angefertigte Spatel mit abgerundeten Ecken waren, ein bisschen schmaler, als die, die Ärzt*innen uns zur Rachenuntersuchung in den Mund stecken.
- Muscheln, Steine oder Keramik nutzten die alten Griech*innen. Archäolog*innen hatten besondere runde Steinchen mit Vertiefungen in der Mitte früher für antike Spielchips gehalten, nun weisen aber immer mehr Fundstücke darauf hin, dass sie dann doch vielleicht eher zum Hinternabwischen dienten.
Heute: Anderes Papier
- Küchenpapier zu verwenden ist siginikant teurer, als Klopapier, aber die naheliegendste Alternative. Am besten klein schneiden, denn es lässt sich schwer gerade reißen. Taschentücher oder Feuchttücher gehen natürlich auch, sie sollten aber bitte nicht im Klo landen, da sie viel reißfester sind und, wenn das zu viele Leute machen, die Leitungen oder die Pumpwerke verstopfen können, was zu einem ekligen Rückstau führen würde.
- Zeitungspapier oder Seiten von Telefonbüchern und Katalogen war früher üblich und sind es auch heute noch in vielen Gegenden der Welt, wo Toilettenpapier einfach zu teuer ist. Hochglanzmagazine funktionieren natürlich nicht so gut, weshalb es auch Geschichten darüber gibt, dass bei Herstellern bestimmter Kataloge, die früher regelmäßig in die meisten Haushalte geliefert wurden, Beschwerden eingingen, als diese auf Glanzpapier umstellten. Auch Zeitungspapier sollte man lieber nicht im Klo entsorgen, sondern in einem Eimerchen daneben, das regelmäßig geleert und gesäubert wird. In einigen Gegenden, auch in Europa, ist das übrigens auch mit Toilettenpapier üblich.
Waschen statt Wischen: Pohygiene mit Wasser
In vielen Gegenden der Welt, vor allem da, wo viele Muslime oder Japaner*innen leben, ist es üblich, sich den Hintern zu waschen, statt ihn abzuwischen. Auch in der Zero Waste Bewegung, oder überall, wo Menschen Naturressourcen sparen oder Abfall vermeiden wollen, setzt sich diese Alternative zunehmend durch. Mit Wasser soll der Hintern auch durchaus sauberer werden. Schließlich würden wir ja, wenn wir an irgendeiner Stelle unseres Körpers, außerhalb der Poritze Fäkalien hätten, sie auch nicht einfach nur mit Papier abwischen. Auch Eltern, die die Pos ihrer Babys und Kleinkinder statt mit Feuchttüchern unterm Wasserhahn sauber machen, sind sowieso schon lange mit der Praxis vertraut. Zum Waschen gibt es verschiedene Hilfsmittel:
- Becher, mit denen man Wasser am Po entlanggießt sind das simpelste, wenn auch nicht das einfachste in der Anwendung. Dabei wäscht man sich mit der jeweils freien Hand (traditionell meistens der linken, weil man die rechte ja zur Begrüßung gibt und damit isst – dort wo es Seife und sauberes Wasser zum Händewaschen gibt, ist das aber nicht mehr so wichtig – in Indien wusch man sich die Hände hinterher übrigens traditionell mit Wasser und Lehm, oder auch pulverisiertem Kuhdung, der im Ayurveda als antiseptisch gilt). Auf den Philipinen wurde kürzlich ein viral gegangenes Musikvideo zu dem dort Tabo genannten Becher gedreht, um der westlichen Gesellschaft zu zeigen, wie man sich ohne Klopapier viel besser den Hintern reinigt.
- Poduschen oder Handbidets sind kleine Fläschchen mit gebogenem Hals, aus denen man durch Drücken mit der einen Hand Wasser spritzen kann. Im einfachsten Fall kann man sich das außer einer kleinen Plastikflasche selber basteln, indem man ein Loch in den Rand des Deckels schneidet. Oder man nimmt einfach eine ausgediente Spülmittelflasche. In muslimischen Haushalten steht zu diesem Zweck oft auch eine kleine Gießkanne neben der Toilette. Wer es noch reinlicher mag, füllt in diese Poduschen Seifenwasser mit ätherischen Ölen oder alles, was sonst noch gut für die Haut ist.Ob man die Hand mit dem Wasser und die waschende Hand jeweils hinten oder vorne rum streckt, muss jede*r für sich rausfinden, aber eine vorne und eine hinten ist auf jeden Fall hilfreich. Wenn die Podusche genug Druck aufbringt, reicht Wasser allein aber oft auch schon aus und die zweite Hand muss gar nicht unbedingt aktiv werden.
- Bidets oder Dusch-WCs sind die technischsten Lösungen. Ein Bidet ist ein Sitzwaschbecken zur Reinigung, bei dem ein Wasserstrahl, dessen Intensität man einstellen kann, von schräg oben oder unten den Hintern reinigt. In Dusch-WCs, die in Japan üblich sind, ist der Spritzwasserhahn schon eingebaut. Bei den luxuriösesten Varianten kann man die Wassertemperatur einstellen und bekommt hinterher den Po geföhnt. Mit Bidet-Aufsätzen lässt sich das auch auf einer normalen Toilette nachrüsten. Low-Tech-Lösungen mit einem Schlauch den man z.B. unterm Wasschbecken anschließen kann, sind auch verbreitet.
- Sitzbäder mit Einsätzen für die Toilette, in die man Wasser, Seife und Öle geben kann, sind zur täglichen Powäsche nicht so verbreitet, aber eine gute Möglichkeit, wenn man sich den Umgang mit spritzendem Wasser nicht so richtig zutraut.
Stoff statt Papier
- Waschlappen sind eine weitere sehr einfache, wenn auch etwas gewöhnungsbedürftige Version. Dazu muss man nicht die dicken flauschigen zweilagigen nehmen, sondern kann sich einfach viele kleine Stücke aus einem festen alten Stoff ausschneiden. Vor allem für die Hygiene nach dem Pipimachen sind sie super. Danach muss man sie nur kurz auswaschen und lufttrocknen (am besten in der Sonne, da die UV-Strahlen desinfizieren). Nach dem großen Geschäft kann man erstmal mit Wasser vorspülen und dann mit einem Waschläppchen nachtrocknen. Danach sollte man sie natürlich auswaschen, lufttrocknen und später heiß mitwaschen. Lisa Pfleger hat eine gute Anleitung zum nachhaltigen und hygienschen Umgang mit den Klotüchern geschrieben.Viele Leute, die sich nicht vorstellen können, die Stofflappen hinterher auszuwaschen, werfen sie weg. Das ist nicht gerade die ressourcenschonendste Praxis, aber wenn man ein Kompostklo hat, kann man sie immerhin zu fruchtbarem Humus werden lassen. Auf keinen Fall sollte man Stoff im Klo runterspülen, um die Leitungen nicht zu verstopfen.
Oder halt weniger Klopapier verbrauchen:
Wer sich all diese Varianten nicht als Ersatz vorstellen kann und noch Klopapier da hat, kann auch üben, weniger zu verbrauchen. Dazu helfen zum Beispiel folgende Techniken:
- Blatt für Blatt: Statt das Klopapier vielfach übereinander zu falten, es zusammen zu knüllen, oder sich sogar um die Hand zu wickeln, kann man – vor allem mit reißfestem Klopapier (am besten dreilagig) vorsichtig ein Blatt nach dem anderen verwenden. Wischen, zusammenfalten, nochmal wischen, nochmal falten und wischen. Mit ein bisschen Übung kommt man mit ein bis drei Blättern pro großem Geschäft aus.
- Ein einziges Blatt: Die Technik ist etwas für Hartgesottene. Die Legende erzählt, dass sie in Gefängnissen entwickelt wurde, in denen den Häftlingen nur wenig Papier zur Verfügung gestellt wird: Man nimmt ein einziges Blatt Klopapier, pikst mit dem Zeigefinger durch, macht sich mit dem Finger untenrum sauber und zieht dann das Blatt nach oben ab, um den Finger sauber zu wischen. In einer erweiterten Version reißt man am Anfang eine kleine Ecke von Klopapierblatt ab und benutzt sie hinterher, um den Fingernagel sauber zu machen. Dann doch lieber Wasser, oder?
- Erst duschen, dann wischen: Dazu kann man eine der oben beschriebenen (eventuell selbstgebastelten) Poduschen zum Abspülen verwenden und dann mit wenig Klopapier nachwischen. Dann kann man sich das Wischen mit der nackten Hand ersparen und trotzdem weniger Klopapier verbrauchen. Auch danach ist gutes Händewaschen aber angesagt, da duch feuchtes Toilettenpapier Erreger viel leichter durchkommen.
Wenn man weiterhin Klopapier kauft, dann am besten recyceltes mit dem blauen Engel, denn damit geht man sicher, dass es nicht aus frischen Bäumen, sondern wenigstens ein bisschen energie- und wassersparend aus Altpapier hergestellt wurde und schadstoffarm ist.
Ob waschen oder wischen: Für all diese Varianten hilft es übrigens, die Füße beim Geschäft etwas erhöht zu stellen, z.B. auf einer Fußbank. Da wir von Natur aus ja dafür angelegt sind, es in der Hocke zu verrichten, wird wird in dieser Haltung der Darmausgang besser geöffnet, was nicht nur gesund ist, weil die Entleerung einfacher und vollständiger wird, sondern damit auch dafür sorgt, dass der Ausgang sauberer bleibt. Umso weniger muss man hinterher wegwaschen oder -wischen.