Klopapier: 12 historische und moderne Alternativen

Bei den UFER-Projekten arbeiten wir seit einigen Jahren daran, die Stadt krisenfester zu machen. Genügsamkeit, Selbstversorgung und Solidarität aufzubauen. Auch wenn wir jetzt keine praktischen Bildungsangebote mehr machen können, möchten wir hilfreiche Sachen, die wir in den letzten Jahren lernen und lehren durften, online weiter mit euch teilen. Deshalb könnt ihr an dieser Stelle jetzt immer wieder praktische Tipps für nachhaltiges, gesundes und solidarisches Leben – auch in der Krise – lesen. Wir hoffen, es hilft euch und freuen uns auf euer Feedback.

 

Heute: Alternativen zu Klopapier

von Gregor

 

Hier hat man damals beim Geschäftemachen nebeneinander gesessen: Antike Latrine in Ostia (Creative Commons: BY-SA AlMare)

 

Während 5% der Deutschen 93% der Klopapier-Vorräte gebunkert haben, fragen sich jetzt viele, wie sie ihren Hintern sauber kriegen können, wenn auch die Nachbarn keine Rollen mehr übrig haben, die sie gegen Milch und Seife tauschen.

 

Erfunden wurde das Hinternabwischen mit Papier wahrscheinlich im 14. Jahrhundert in China: Da wurden großformatige Papiertücher für den Kaiser hergestellt, der diese Form der Analhygiene scheinbar luxuriöser fand. Die erste Erwähnung in einer westlichen Gesellschaft findet sich erst im Frankreich des 16. Jahrhunderts.

 

Heute verbrauchen Deutsche durchschnittlich wohl um die 18 Kilo Toilettenpapierim Jahr. Das entspricht insgesamt fast 3 Milliarden Rollen. Genug, um die Erde rund 2000 mal zu umrunden.

 

Diesen März stieg die Nachfrage durch die Toilettenpapier-Krise auf das Dreifache – fragt man das ZDF, sogar auf das Siebenfache.

 

Wer vor leeren Regalen steht und sich nicht mehr anders zu helfen weiß, greift zu rabiaten Mitteln: Aus einer Kirche in Rösrath wurde Klopapier geklaut. Der Pfarrer brachte einen Zettel an der Tür an, dass er dem Dieb vergebe, ihm segensreiche Verwendung wünsche und die pastorale Absolution erteile. Allerdings möge er doch bitte mit anderen teilen.

 

Grund genug, uns mal nach Alternativen umzuschauen: Schließlich ist Klopapier ja eine ziemlich neue Erfindung in der menschlichen Geschichte – und wird auch heute in vielen Kulturen abgelehnt. Und dafür gibt es gute Gründe:

 

Toilettenpapier kann ungesund sein:

Vor allem, wenn es Chemikalien enthält, die allergische Reaktionen hervorrufen oder Hautreizungen bewirken können. Aber auch ohne die ist das trockene Wischen für viele Hintern nicht sehr gesund. Hautärzte raten schon länger dazu, Nassreinigung auszuprobieren, um schmerzhafte Stellen zu vermeiden.

 

Und es ist nicht gerade nachhaltig:

Wenn es nicht gerade Recyclingpapier ist, werden für die Herstellung frische Bäume gefällt. Oft wird das Holz sogar illegal geschlagen. Um daraus ein Kilo Papier herzustellen werden ungefähr 800 Gramm C02 in die Athmosphäre geblasen und um die 10 Liter Wasser verbraucht.

Toilettenpapier-Alternativen-Tester Daniel Hautmann meint dazu: „Man kann sich leicht vorstellen, dass bei diesen Arbeitsschritten Unmengen an […] Giftstoffen entstehen, gerodete Waldflächen zurück bleiben und reichlich Umverpackungen (ganz genau: Plastik) anfallen. Und wozu das alles? Ganz genau: fürn Arsch.“

Und dann wird es noch auf Schiffen, Lkw oder Zügen um die halbe Welt gefahren.

Ein engagiertes Plädoyer in dieser Sache findet ihr hier.

 

Wie aber kann man sonst seinen Hintern sauber bekommen und wie machen Leute das anderswo – oder wie machten sie es zu anderen Zeiten?

 

Historisch: Mit dem, was man in der Natur halt so finden konnte

  1. Schwämme: Die alten Römer*innen benutzten Schwämme (also abgestorbene Tiere aus dem Stamm der Schwämme. Die spießten sie auf Stöcke und nannten das Ganze Xylospongium. Nach dem Posaubermachen wurden sie in Salzwasser oder Essig getaucht, um sie zu reinigen. Historiker*innen vermuten, dass diese Praxis zur Ausbreitung von Krankheiten beigetragen hat, da die Schwämme gemeinschaftlich benutzt wurden (damals saß man ja auch noch nebeneinander auf den Donnerbalken, um sich dabei unterhalten zu können).
  2. Sand: Wüstenvölker nutzen heute noch Sand, aber sie haben auch genügend Platz, den benutzten zu entsorgen. Ihre Kolleg*innen in polnäher gelegenen Schneewüsten beutzen auch Schnee. Kann man nur hoffen, dass man immer genug unverharrschten Schnee findet.
  3. Blätter: Die alten German*innen sollen Mischungen aus Gras, Moos und Stroh benutzt haben, wobei Moos am besten klingt, aber zum fusseln neigt. In Südamerika ist es in manchen Gegenden noch üblich, die Hüllblätter von Maiskolben zu verwenden, hierzulande hat man früher auch die großen grünen Blätter der Pestwurz benutzt, weshalb sie in Bayern auch immernoch Arschwurz genannt werden (im englischen heißen sie übrigens butter burr, weil man die Butter darin eingewickelt hat).
  4. Stöckchen: Vor allem in Japan wurden früher die dort gānshǐjué (trockener Scheißstock) genannten Stöckchen benutzt, was manchmal einfache Zweige, manchmal aber auch extra angefertigte Spatel mit abgerundeten Ecken waren, ein bisschen schmaler, als die, die Ärzt*innen uns zur Rachenuntersuchung in den Mund stecken.
  5. Muscheln, Steine oder Keramik nutzten die alten Griech*innen. Archäolog*innen hatten besondere runde Steinchen mit Vertiefungen in der Mitte früher für antike Spielchips gehalten, nun weisen aber immer mehr Fundstücke darauf hin, dass sie dann doch vielleicht eher zum Hinternabwischen dienten.

 

Heute: Anderes Papier

  1. Küchenpapier zu verwenden ist siginikant teurer, als Klopapier, aber die naheliegendste Alternative. Am besten klein schneiden, denn es lässt sich schwer gerade reißen. Taschentücher oder Feuchttücher gehen natürlich auch, sie sollten aber bitte nicht im Klo landen, da sie viel reißfester sind und, wenn das zu viele Leute machen, die Leitungen oder die Pumpwerke verstopfen können, was zu einem ekligen Rückstau führen würde.
  2. Zeitungspapier oder Seiten von Telefonbüchern und Katalogen war früher üblich und sind es auch heute noch in vielen Gegenden der Welt, wo Toilettenpapier einfach zu teuer ist. Hochglanzmagazine funktionieren natürlich nicht so gut, weshalb es auch Geschichten darüber gibt, dass bei Herstellern bestimmter Kataloge, die früher regelmäßig in die meisten Haushalte geliefert wurden, Beschwerden eingingen, als diese auf Glanzpapier umstellten. Auch Zeitungspapier sollte man lieber nicht im Klo entsorgen, sondern in einem Eimerchen daneben, das regelmäßig geleert und gesäubert wird. In einigen Gegenden, auch in Europa, ist das übrigens auch mit Toilettenpapier üblich.

 

Waschen statt Wischen: Pohygiene mit Wasser

In vielen Gegenden der Welt, vor allem da, wo viele Muslime oder Japaner*innen leben, ist es üblich, sich den Hintern zu waschen, statt ihn abzuwischen. Auch in der Zero Waste Bewegung, oder überall, wo Menschen Naturressourcen sparen oder Abfall vermeiden wollen, setzt sich diese Alternative zunehmend durch. Mit Wasser soll der Hintern auch durchaus sauberer werden. Schließlich würden wir ja, wenn wir an irgendeiner Stelle unseres Körpers, außerhalb der Poritze Fäkalien hätten, sie auch nicht einfach nur mit Papier abwischen. Auch Eltern, die die Pos ihrer Babys und Kleinkinder statt mit Feuchttüchern unterm Wasserhahn sauber machen, sind sowieso schon lange mit der Praxis vertraut. Zum Waschen gibt es verschiedene Hilfsmittel:

  1. Becher, mit denen man Wasser am Po entlanggießt sind das simpelste, wenn auch nicht das einfachste in der Anwendung. Dabei wäscht man sich mit der jeweils freien Hand (traditionell meistens der linken, weil man die rechte ja zur Begrüßung gibt und damit isst – dort wo es Seife und sauberes Wasser zum Händewaschen gibt, ist das aber nicht mehr so wichtig – in Indien wusch man sich die Hände hinterher übrigens traditionell mit Wasser und Lehm, oder auch pulverisiertem Kuhdung, der im Ayurveda als antiseptisch gilt). Auf den Philipinen wurde kürzlich ein viral gegangenes Musikvideo zu dem dort Tabo genannten Becher gedreht, um der westlichen Gesellschaft zu zeigen, wie man sich ohne Klopapier viel besser den Hintern reinigt.
  2. Poduschen oder Handbidets sind kleine Fläschchen mit gebogenem Hals, aus denen man durch Drücken mit der einen Hand Wasser spritzen kann. Im einfachsten Fall kann man sich das außer einer kleinen Plastikflasche selber basteln, indem man ein Loch in den Rand des Deckels schneidet. Oder man nimmt einfach eine ausgediente Spülmittelflasche. In muslimischen Haushalten steht zu diesem Zweck oft auch eine kleine Gießkanne neben der Toilette. Wer es noch reinlicher mag, füllt in diese Poduschen Seifenwasser mit ätherischen Ölen oder alles, was sonst noch gut für die Haut ist.Ob man die Hand mit dem Wasser und die waschende Hand jeweils hinten oder vorne rum streckt, muss jede*r für sich rausfinden, aber eine vorne und eine hinten ist auf jeden Fall hilfreich. Wenn die Podusche genug Druck aufbringt, reicht Wasser allein aber oft auch schon aus und die zweite Hand muss gar nicht unbedingt aktiv werden.
  3. Bidets oder Dusch-WCs sind die technischsten Lösungen. Ein Bidet ist ein Sitzwaschbecken zur Reinigung, bei dem ein Wasserstrahl, dessen Intensität man einstellen kann, von schräg oben oder unten den Hintern reinigt. In Dusch-WCs, die in Japan üblich sind, ist der Spritzwasserhahn schon eingebaut. Bei den luxuriösesten Varianten kann man die Wassertemperatur einstellen und bekommt hinterher den Po geföhnt. Mit Bidet-Aufsätzen lässt sich das auch auf einer normalen Toilette nachrüsten. Low-Tech-Lösungen mit einem Schlauch den man z.B. unterm Wasschbecken anschließen kann, sind auch verbreitet.
  4. Sitzbäder mit Einsätzen für die Toilette, in die man Wasser, Seife und Öle geben kann, sind zur täglichen Powäsche nicht so verbreitet, aber eine gute Möglichkeit, wenn man sich den Umgang mit spritzendem Wasser nicht so richtig zutraut.

 

Stoff statt Papier

  1. Waschlappen sind eine weitere sehr einfache, wenn auch etwas gewöhnungsbedürftige Version. Dazu muss man nicht die dicken flauschigen zweilagigen nehmen, sondern kann sich einfach viele kleine Stücke aus einem festen alten Stoff ausschneiden. Vor allem für die Hygiene nach dem Pipimachen sind sie super. Danach muss man sie nur kurz auswaschen und lufttrocknen (am besten in der Sonne, da die UV-Strahlen desinfizieren). Nach dem großen Geschäft kann man erstmal mit Wasser vorspülen und dann mit einem Waschläppchen nachtrocknen. Danach sollte man sie natürlich auswaschen, lufttrocknen und später heiß mitwaschen. Lisa Pfleger hat eine gute Anleitung zum nachhaltigen und hygienschen Umgang mit den Klotüchern geschrieben.Viele Leute, die sich nicht vorstellen können, die Stofflappen hinterher auszuwaschen, werfen sie weg. Das ist nicht gerade die ressourcenschonendste Praxis, aber wenn man ein Kompostklo hat, kann man sie immerhin zu fruchtbarem Humus werden lassen. Auf keinen Fall sollte man Stoff im Klo runterspülen, um die Leitungen nicht zu verstopfen.

 

Oder halt weniger Klopapier verbrauchen:

Wer sich all diese Varianten nicht als Ersatz vorstellen kann und noch Klopapier da hat, kann auch üben, weniger zu verbrauchen. Dazu helfen zum Beispiel folgende Techniken:

  • Blatt für Blatt: Statt das Klopapier vielfach übereinander zu falten, es zusammen zu knüllen, oder sich sogar um die Hand zu wickeln, kann man – vor allem mit reißfestem Klopapier (am besten dreilagig) vorsichtig ein Blatt nach dem anderen verwenden. Wischen, zusammenfalten, nochmal wischen, nochmal falten und wischen. Mit ein bisschen Übung kommt man mit ein bis drei Blättern pro großem Geschäft aus.
  • Ein einziges Blatt: Die Technik ist etwas für Hartgesottene. Die Legende erzählt, dass sie in Gefängnissen entwickelt wurde, in denen den Häftlingen nur wenig Papier zur Verfügung gestellt wird: Man nimmt ein einziges Blatt Klopapier, pikst mit dem Zeigefinger durch, macht sich mit dem Finger untenrum sauber und zieht dann das Blatt nach oben ab, um den Finger sauber zu wischen. In einer erweiterten Version reißt man am Anfang eine kleine Ecke von Klopapierblatt ab und benutzt sie hinterher, um den Fingernagel sauber zu machen. Dann doch lieber Wasser, oder?
  • Erst duschen, dann wischen: Dazu kann man eine der oben beschriebenen (eventuell selbstgebastelten) Poduschen zum Abspülen verwenden und dann mit wenig Klopapier nachwischen. Dann kann man sich das Wischen mit der nackten Hand ersparen und trotzdem weniger Klopapier verbrauchen. Auch danach ist gutes Händewaschen aber angesagt, da duch feuchtes Toilettenpapier Erreger viel leichter durchkommen.

 

Wenn man weiterhin Klopapier kauft, dann am besten recyceltes mit dem blauen Engel, denn damit geht man sicher, dass es nicht aus frischen Bäumen, sondern wenigstens ein bisschen energie- und wassersparend aus Altpapier hergestellt wurde und schadstoffarm ist.

 

Ob waschen oder wischen: Für all diese Varianten hilft es übrigens, die Füße beim Geschäft etwas erhöht zu stellen, z.B. auf einer Fußbank. Da wir von Natur aus ja dafür angelegt sind, es in der Hocke zu verrichten, wird wird in dieser Haltung der Darmausgang besser geöffnet, was nicht nur gesund ist, weil die Entleerung einfacher und vollständiger wird, sondern damit auch dafür sorgt, dass der Ausgang sauberer bleibt. Umso weniger muss man hinterher wegwaschen oder -wischen.

 

Gesund, kostenlos, lecker: Wildkräuter – Teil 2

Bei den UFER-Projekten arbeiten wir seit einigen Jahren daran, die Stadt krisenfester zu machen – Genügsamkeit, Selbstversorgung und Solidarität aufzubauen. Auch wenn wir jetzt keine praktischen Bildungsangebote mehr machen können, möchten wir hilfreiche Sachen, die wir in den letzten Jahren lernen und lehren durften, online weiter mit euch teilen. Deshalb könnt ihr an dieser Stelle jetzt immer wieder praktische Tipps für nachhaltiges, gesundes und solidarisches Leben – auch in der Krise – lesen. Wir hoffen, es hilft euch und freuen uns auf euer Feedback.

 

Heute: Essbare Wildpflanzen Teil 2

von Gregor
 

Creative Commons BY-SA: Yelkrokoyade

 

Im letzten Artikel habe ich ein bisschen von den Vorzügen von Wildkräutern und -früchten geschwärmt, allgemeine Sammelregeln erklärt und ein paar der leckersten und am einfachsten zu erkennenden vorgestellt.

In der Fortsetzung will ich euch jetzt ein paar weniger gut bekannte zeigen. Da ich hier kein Bestimmungsbuch ersetzen kann, sondern euch nur Inspiration geben will, gehe ich nicht ausführlich auf alle Erkennungsmerkmale ein. Die wichtigsten Unterschiede zu giften Pflanzen schreibe ich aber dazu.

Außerdem will ich auch ein bisschen auf mögliche Heilkräfte der Kräuter eingehen, denn die Erde schenkt uns nicht nur kostenloses Essen, sondern auch Medizin – und oft ist beides das gleiche. Da die Inhaltsstoffe von Kräutern nicht standardisiert sind, kann und darf man keine allgemeingültigen Aussagen über ihre Heilkräfte treffen. Deshalb kann ich euch nur davon berichten wofür dieses oder jenes Kraut „früher verwendet wurde“, oder wie sie bei mir gewirkt haben.

 

Eins der ersten Wildkräuter, die man im Frühjahr finden kann, ist das Scharbockskraut, das deshalb auch Frühsalat genannt wird. Dabei sollte man auch schnell sein, denn wenn es anfängt, gelb zu blühen, wird es leicht giftig (ich habe davon noch nichts gemerkt, aber mancher ist dafür empfindlich). Es bildet manchmal richtige Teppiche und hat keinen sehr auffälligen Geschmack, was es zu einem tollen Salatkraut macht. Früher wurde es gegen Frühjahrsmüdigkeit oder als Sitzbad bei unreiner Haut oder Hämorrhoiden angewendet. Aufpassen muss man, dass man es nicht mit der giftigen Sumpfdotterblume verwechselt, die aber nicht so sehr bodendeckend, sondern auch in die Höhe wächst und sich verzweigt. Ähnlich ist auch der ebenfalls giftige Haselwurz, der aber einen behaarten Stil und dunklere Blätter hat, die leicht ledrig aussehen und, wenn sie zerrieben werden unangenehm riechen.
Die Schafgarbe hat wunderschöne filigran gefiederte Blätter. Etwas später im Frühjahr blüht sie weiß auf. Sie ist nicht nur ein sehr aromatisches Salatkraut (natürlich auch in Smoothies, auf Brot etc. lecker), sondern wurde früher auch in Form von Tee als Arznei bei Bauchkrämpfen, v.a Menstruationsbeschwerden verwendet. Ich habe sie schon öfter zur Blutungsstillung genutzt: Zerkaut oder zerrieben auf blutende Wunde gelegt, hat sie die Blutung schnell gestoppt.

Achtung: Es gibt eine Reihe anderer Pflanzen mit gefiederten Blättern, die in die Familie der Doldenblütler gehören und giftig sind, wie Hundspetersilie oder Schierling. Diese riechen jedoch unangenehm und sind nicht so feingliedrig und zierlich wie die Scharfgarbe. Wichtiges Unterscheidungsmerkmal: Die Blätter der Schafgarbe sind wechselständig, das heißt, sie zweigen jeweils abwechselnd seitlich vom Stängel der Pflanze ab.

Hier kommt einer dieser Doldenblütler, aber ein ziemlich leckerer: Giersch. Er ist der Erzfeind der meisten Gärtner*innen, dabei ist er das einfachste Gemüse, das es gibt: Ohne, dass man irgendwas dafür tun müsste, bildet er dichte Teppiche, treibt jedes Jahr wieder aus und ist robust gegen so ziemlich alles. Dabei hat er einen so unaufdringlichen und doch würzigen Geschmack, dass man ihn in jeglicher Zubereitungsart essen kann. Wie bei den meisten anderen Kräutern werden seine Blätter immer fester, umso älter das Jahr wird, aber er treibt auch immer wieder frische hellgrüne Blätter, die am leckersten sind. Er enthält viele Vitamine, Eisen und ätherische Öle und wurde früher bei Verspannungen, entzündungsbedingten Krankheiten, Sonnenbrand und Insektenstichen angewendet.

Achtung: Die oben schon erwähnten Doldenblütler, die dem Giersch oft noch ähnlicher sehen, als der Schafgarbe und giftig sein können, wie Hundspetersilie oder Schierling riechen wie gesagt unangenehm und vor allem haben sie keinen dreikantigen Stengel, wie der Giersch.

Auch die Vogelmiere bildet richtige Teppiche. Sie kann so ziemlich überall wachsen, wo es leicht feucht ist und wird je nach Nährstoffangebot zwischen wenigen Zentimetern bis zu 30 Zentimeter hoch. Da alle Teile genießbar sind und sie lecker leicht nach jungem Mais schmeckt, kann man sie auch in größeren Mengen im Salat oder Smoothie verwenden (Riesenmengen dagegen empfehlen sich wegen des Saponingehalts nicht, aber Riesenmengen sollte man eh von nichts essen, das die eigene Verdauung nicht gewöhnt ist).

Die Vogelmiere kann man von anderen Mieren (derer viele auch essbar sind) eindeutig dadurch unterscheiden, dass die feinen Härchen in einer einzigen Linie an ihrem Stengel entlang wachsen, bei anderen Arten sind es mehrere Linien.

Mein Liebling unter der Wildkräutern ist die Brennnessel. Von vielen verschrien und aus vielen Gärten rausgerissen, ist sie ein wunderbar aromatisches Gemüse, das von alleine wächst. Sie schmeckt nicht nur toll, sondern enthält auch ein vielfaches des Vitamin-C-Gehaltes von Zitrusfrüchten, sowie viele Mineralien und Eisen. Ich esse sie gerne als Stärkungsmittel für Körper, Energie und Nerven. Man sagt ihr potenzsteigernde und sogar haarwuchsfördernde Wirkung nach und sie wird auch als stoffwechselfördernd und zur Blutreinigung angewendet. Die Brennhaare kann man einfach brechen und dadurch entschärfen. Dazu walzt man die Blätter entweder mit einem Nudelholz, oder einer Flasche platt, oder steckt sie in einen Beutel und knetet den kräftig durch, oder man zerkleinert sie im Mixer. Trocknen funktioniert auch und auch mit heißem Wasser überbrühen, oder einfach mitkochen hilft, auch wenn dabei natürlich ein paar Vitamine verloren gehen. Um sie unterwegs zu essen, hilft es aber auch, die Blätter beim Pflücken nur von unten zu berühren (dort haben die meisten Sorten keine Brennhaare), nach oben zusammenzufalten, vom Stengel abzustreifen und sie dann zusammen zu knautschen und zwischen den Fingerspitzen zu rollen. Auch die Samenstände, die sie im Spätsommer bildet, kann man essen. Davon gibt es männliche (die von der Pflanze abstehen) und weibliche (die runterhängen). Sie sollen so ziemlich alles enthalten, was der Mensch braucht, auf jeden Fall aber Fett und Eiweiß, was ja bei Kräutern selten ist. Manche stört das eventuell leichte Brennen der Samen auf der Zunge nicht, wer es aber vermeiden will, legt sie auf Zeitungspapier und lässt sie einen Tag trocknen. Wenn man sie länger trocknet, kann fallen sie von den Stengeln ab und man kann sie dann einfach aussieben, in ein Schraubglas geben und aufbewahren.

Verwechseln kann man sie natürlich mit der Taubnessel, der Goldnessel, oder auch der Nesselblättrigen Glockenblume, die sind aber alle ebenfalls essbar.

Wer es noch würziger mag, sollte mal Knoblauchsrauke probieren. Ja, sie schmeckt tatsächlich ziemlich nach Knoblauch und Pfeffer, allerdings sollte man sie auch bei ihr beeilen, denn je später im Jahr man sie pflückt, umso bitterer wird sie auch. (Dann kann man sie aber auch eine Stunde in Salzwasser legen, das die Bitterstoffe rauszieht und das man dann weggießt.) Wegen ihres starken Geschmacks ist sie vor allem als Würzkraut in Quark, aufs Brot oder in kleinen Mengen im Salat zu empfehlen, in größerer Menge in frischem Pesto. Auch die Blüten kann man als essbare Dekoration verwenden. Das Aroma ist leider flüchtig und geht beim Kochen und Trocknen verloren. Dafür riecht man aber auch nach dem Rohverzehr nicht, so wie nach Knoblauch oder Bärlauch. Sie soll bei der Wundheilung, z.B. bei Zahnfleischentzündungen helfen.

Verwechseln kann man sie mit Gundermann, der auch essbar ist (manche finden ihn lecker, andere überhaupt nicht).

Und auch hier zum Abschluss noch eine Wildfrucht: die Mahonien-Beere: Sie sind eigentlich im Herbst reif und können dann geerntet werden, aber da kaum jemand weiß, dass sie essbar sind, findet man auch jetzt im Frühjahr noch viele, die jetzt leicht getrocknet am Strauch hängen. Durch die Einwirkung von Frost werden sie, wie Hagebutten, Schlehen und Mispeln auch, meist sogar süßer. Trotzdem sind sie echt sauer, was sie zu einem erfrischenden Snack oder einem leckeren Säurungsmittel für Obstmuße macht. Die anderen Pflanzenteile sind giftig und auch von den Beeren sollte man nur kleine Mengen roh essen, größere Mengen sind aber möglich, wenn man sie kocht und die Kerne entfernt. Die Ureinwohner Nordamerikas nutzen sie traditionell zur Stärkung und Verdauungsförderung.

Da die Mahonie aufrecht stehend wächst und gezahnte Blätter hat, ist sie gut von anderen Pflanzen mit blauen Beeren zu unterscheiden, wie den eher ungefährlichen Rauschbeeren, Weißwurz-Beeren und Kriech-Heckenkirschen, die alle bodennah wachsen, oder der giftigen Jungfernrebe, die rankt. Ähnlich sehen die Europäische Stechpalme und die Berberitze aus, aber deren Früchte sind rot.

 

Natürlich ist auch gerade Bärlauch-Zeit, aber da der in der Umgebung so schwer zu finden und auch bald durch ist, überlasse ich das mal den Kenner*innen.
 
Wenn ihr ein bisschen Englisch könnt, kann ich euch übrigens die Website von Plants for a Future pfaf.org sehr empfehlen. Das ist eine Datenbank aller möglichen essbaren und medizinischen Pflanzen, die stetig erweitert wird. Dort findet man auch oft Anwendungen von Pflanzen, die andere aus Unwissenheit als ungenießbar ansehen.
 
In unserer Übersicht der essbaren und medizinischen Naturprodukte könnt ihr nachlesen, was es im April noch alles zu entdecken gibt.
 
Im nächsten Artikel wollen wir ein paar Tipps für sinnvolles Tun statt Langeweile mit allen teilen, die durch Corona gerade mehr Zeit haben und noch unsicher sind, wohin damit.

Schaut also demnächst mal wieder hier vorbei.

Gesund, kostenlos, lecker: Wildkräuter für alle

Bei den UFER-Projekten arbeiten wir seit einigen Jahren daran, die Stadt krisenfester zu machen – Genügsamkeit, Selbstversorgung und Solidarität aufzubauen. Auch wenn wir jetzt keine praktischen Bildungsangebote mehr machen können, möchten wir hilfreiche Sachen, die wir in den letzten Jahren lernen und lehren durften, online weiter mit euch teilen. Deshalb könnt ihr an dieser Stelle jetzt immer wieder praktische Tipps für nachhaltiges, gesundes und solidarisches Leben – auch in der Krise – lesen. Wir hoffen, es hilft euch und freuen uns auf euer Feedback.

 

Heute: Essbare Wildpflanzen

von Gregor
 

Creative Commons BY-SA: smoothie-mixer.de

 

Auch wenn alle Räder still stehen, produziert die Natur weiter Wunder.
Ich möchte euch heute ein paar davon vorstellen: Schöne grüne Wunder, die man essen kann, die gesund sind und das völlig kostenlos.

 

Der Vorfrühling ist eine natürliche Fastenzeit

Es ist Frühling, wir durften die die ersten Vorboten letzte Woche erleben, seit der Tag-und-Nacht-Gleiche am Samstag werden die Tage auch wieder länger, als die Nächte. Auf dem Acker und in den Gärten wächst in dieser Zeit noch kaum etwas kultiviertes. Für unsere Vorfahren waren Februar und März deshalb die Zeit des kärgsten Speiseplanes – deshalb fällt auch die Fastenzeit vor Ostern in diese Jahreszeit.

Aber für gesunde Ernährung in dieser Zeit hat die Erde gesorgt: Sie schenkt uns, auch jetzt schon, eine riesige Vielfalt leckerer und gesunder Sachen, für die wir keine Beete umgraben, keinen Dünger ausbringen und nicht jäten mussten: Essbare Wildpflanzen.

 

Hilfreich in der Corona-Zeit

Nicht nur, aber ganz besonders in der aktuellen Krise ist das natürlich hochspannend: Während die Lebensmittelpreise steigen und man vor Lebensmittelläden in der Schlange stehen muss, kann man frisches Grün auch auf umliegenden Wiesen finden. Und dabei das Immunsystem richtig gut stärken: Wildkräuter enthalten im Vergleich zu Kulturgemüse oft ein Vielfaches an Vitaminen und Mineralien. Und die Bewegung draußen, bringt den Körper in Schwung und den Geist in Verbindung mit der lebensspendenden Natur.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass essbare Wildpflanzen eine sehr kleine Ausnahme in einer sonst sehr gefährlichen Natur darstellen. Außer Sauerampfer und Blaubeeren sollte man lieber nichts von draußen essen – war so ungefähr mein Verständnis unserer Umwelt. Als ich vor ein paar Jahren angefangen habe, mich mit Wildkräuter zu beschäftigen, wurde mir nach und nach klar, wie viel eigentlich essbar ist.

 

Essbar ist das meiste in unserer Natur

Und mittlerweile sehe ich es tatsächlich eher anderherum: Man kann fast alles essen, wenn auch vieles nur in kleinen Mengen (da merkt man es dann aber auch am Geschmack und will gar nicht so viel davon) und wirklich giftige Pflanzen in Mitteleuropa kann man an zwei Händen abzählen.

Einziges Problem dabei ist die Industriegesellschaft. Überall dort, wo viele Autos vorbeifahren, Hunde ihre Ausscheidungen von Industriefutter hinterlassen oder immer wieder Müll landet, ist es natürlich nicht empfehlenswert, Kräuter zu pflücken. Deshalb:

 

Die wichtigsten Tipps zum Sammeln und Verarbeiten:

  • Ein paar Meter abseits der Straßen und Wege: Hier kommen nur noch wenig Feinstaub und wenige Hunde hin.
  • Abwaschen: Wenn man die Kräuter am besten vorm Essen nochmal abspült, ist Verschmutzung kein großes Problem mehr. Auch gegen den Fuchsbandwurm (der viel viel viel seltener auftritt, als man denken könnte) hilft abwaschen (und erhitzen).
  • Nur wenig pflücken: Pflückt immer höchstens ein Zehntel des Bestandes einer Pflanze an einem Ort, damit er sich gut regenerieren kann und nicht verschwindet.
  • Vorsichtig pflücken: Wenn ihr nicht gerade die Wurzel einer Pflanze braucht, brecht oder schneidet die Teile, die ihr sammeln wollt, vorsichtig ab, sodass ihr die Pflanze nicht aus dem Boden zieht.
  • Verlass dich auf deine Sinne: Die meisten Wildkräuter schmecken erstmal gewöhnungsbedürftig, v.a. weil aus unseren Küchenkräutern und Kulturgemüsen Bitterstoffe weitestgehend rausgezüchtet wurden und wir sie nicht mehr gewöhnt sind. Dabei sind sie aber eigentlich gesund. Wenn Sachen aus der Natur aber stark bitter sind, oder komisch riechen und du dir unsicher bist, ob sie essbar sind, nimm die Warnzeichen deines Körpers wahr und iss sie lieber nicht.
  • Iss nur, was du kennst: Wenn du dir unsicher bist, ziehe Nachschlagewerke (sehr empfehlenswert „Essbare Wildpflanzen“ von Fleischhauer u.a.) oder Kräuterexpert*innen zur Rate.
  • Die Dosis macht das Gift: Iss von Kräutern und Früchten, mit denen du noch nicht so viel Erfahrung hast, nur wenig. Es gilt nicht unbedingt viel hilft viel und das Verdauungssystem muss sich auch erstmal wieder an gute Sachen gewöhnen. Deshalb, iss nicht mehr, als dir schmeckt und gib auch in Smoothies, in denen der Geschmack gut versteckt werden kann, nicht viel mehr von einem Kraut, als du auch so davon essen würdest.
  • Je jünger desto leckerer: Frische grüne Blätter sind im allgemeinen zarter und sanfter im Geschmack, als ältere. Und die meisten Wildkräuter lagern, je später das Jahr wird, mehr Stoffe ein, die sie weniger lecker machen. Jetzt im Frühjahr sind die meisten Kräuter also am allerleckersten.

 

Anfangen soll unsere Reihe hier mit fünf leckeren und einfach zu erkennenden essbaren Wildpflanzen, die die jetzt auch schon in ausreichenden Mengen wachsen und die ich mal bei einem kleinen Spaziergang über nahegelegene Wiesen für euch fotografiert habe:

 

Löwenzahn kennen alle, aber viele wissen nicht, dass neben den gelben Blütenblättern auch die grünen Blätter essbar sind. Sie enthalten viele Bitterstoffe, die gut für die Verdauung sind. Wie die meisten Wildpflanzen sind sie jetzt am Anfang der Saison noch am mildesten. Einfach klein schneiden und in den Salat, Smoothie, in die Pfanne oder aufs Brot geben. Wer es weniger bitter mag, legt die Blätter ein paar Stunden in kaltes Wasser (etwas Salz darin zieht noch mehr Bitterstoffe aus den Blättern.) Aus den Wurzeln, die man im Herbst ausgraben kann, wurde früher in Krisenzeiten ein regionaler Kaffee-Ersatz gemacht. (Übrigens: Der gewöhnliche Löwenzahn gehört der Gattung Taraxacum an, Vertreter der Gattung Leontodon sehen oft sehr ähnlich aus und sind auch ähnlich gut essbar.)
Auch das Gänseblümchen ist bekannt, weniger allerdings, dass es eine mehrjährige Pflanze ist (der botanische Name lautet Bellis perennis, „das ausdauernde Schöne“), die immer wieder austreibt und dass seine Blüten essbar sind. Als Verzierung auf Broten, Salaten oder Suppen ist es außerdem auch noch eine Augenweide.
Sauerampfer, haben wohl viele schon als Kind geliebt: Er schmeckt erfrischend säuerlich und war deshalb auch vor der Globalisierung der Vorgänger von Zitronensaft auf Fischgerichten. Seine Blätter sind sehr eindeutig erkennbar, weil sie am Stiel stark eingewölbt sind, nicht am Pflanzenstängel anliegen. Oft haben sie leicht rötliche Ränder.
Auch Taubnesseln kennen wohl die meisten, manche haben als Kinder die weißen, gelben, rosa oder violetten Blüten ausgezutscht, die einen süßen Nektar produzieren. Aber auch die grünen Blätter sind hervorragend essbar. Sie haben einen leicht aromatischen, insgesamt aber nicht zu starken Geschmack, wodurch sie gut unauffällig und dabei gesund „Spinat“gerichte und Salate ergänzen können. Taubnesseln gehören, wie die meisten der wichtigen Küchenkräuter (Minzen, Oregano, Rosmarin usw.) zu den Lippenblütlern, die meist einen markanten vierkantigen Stängel haben und von denen kaum eine Vertreterin giftig ist. Verwechseln kann man sie evtl. mit dem Gemeinen Andorn, aber dessen Blätter sind stark bitter und nur in hohen Dosen giftig.
Als kleines Schmankerl noch eine essbare Wildfrucht: Hagebutten. Die Früchte der Hundsrose enthalten bis zu 25 mal so viel Vitamin C, wie Zitronen. Sie sind im Winter erst nach den ersten Frösten lecker, weil sie durch das Gefrieren weicher und süßer werden. Vereinzelt findet man jetzt noch Früchte, die die Vögel noch nicht gegessen haben. Man isst vorsichtig von außen das Fruchtfleisch ab und achtet darauf, die Kerne nicht mitzuessen, da sie reizende Häärchen haben. Wenn ihr nächsten Winter mehr davon ernten wollt: Ein wunderbares Küchengerät für ihre Verarbeitung ist die Flotte Lotte, mit der sich das Fruchtfleisch gut von den Kernen trennen lässt. Mit etwas Zucker und Salz wird aus dem entstehenden Mus zum Beispiel auch Hagebutten-Ketchup gemacht, der Kindern schmeckt und dabei viel gesünder ist, als normaler Ketchup.

 

In einem der nächsten Blogartikel stellen wir ein paar der weniger bekannten Wildkräuter und -früchte vor, die ihr jetzt draußen finden könnt.

Wir haben euch schon mal eine Übersicht zusammengestellt, was es da noch alles zu entdecken gibt.

Schaut also demnächst mal wieder hier vorbei.