Gesund, kostenlos, lecker: Wildkräuter – Teil 2

8. April 2020 von Gregor

Bei den UFER-Projekten arbeiten wir seit einigen Jahren daran, die Stadt krisenfester zu machen – Genügsamkeit, Selbstversorgung und Solidarität aufzubauen. Auch wenn wir jetzt keine praktischen Bildungsangebote mehr machen können, möchten wir hilfreiche Sachen, die wir in den letzten Jahren lernen und lehren durften, online weiter mit euch teilen. Deshalb könnt ihr an dieser Stelle jetzt immer wieder praktische Tipps für nachhaltiges, gesundes und solidarisches Leben – auch in der Krise – lesen. Wir hoffen, es hilft euch und freuen uns auf euer Feedback.

 

Heute: Essbare Wildpflanzen Teil 2

von Gregor
 

Creative Commons BY-SA: Yelkrokoyade

 

Im letzten Artikel habe ich ein bisschen von den Vorzügen von Wildkräutern und -früchten geschwärmt, allgemeine Sammelregeln erklärt und ein paar der leckersten und am einfachsten zu erkennenden vorgestellt.

In der Fortsetzung will ich euch jetzt ein paar weniger gut bekannte zeigen. Da ich hier kein Bestimmungsbuch ersetzen kann, sondern euch nur Inspiration geben will, gehe ich nicht ausführlich auf alle Erkennungsmerkmale ein. Die wichtigsten Unterschiede zu giften Pflanzen schreibe ich aber dazu.

Außerdem will ich auch ein bisschen auf mögliche Heilkräfte der Kräuter eingehen, denn die Erde schenkt uns nicht nur kostenloses Essen, sondern auch Medizin – und oft ist beides das gleiche. Da die Inhaltsstoffe von Kräutern nicht standardisiert sind, kann und darf man keine allgemeingültigen Aussagen über ihre Heilkräfte treffen. Deshalb kann ich euch nur davon berichten wofür dieses oder jenes Kraut „früher verwendet wurde“, oder wie sie bei mir gewirkt haben.

 

Eins der ersten Wildkräuter, die man im Frühjahr finden kann, ist das Scharbockskraut, das deshalb auch Frühsalat genannt wird. Dabei sollte man auch schnell sein, denn wenn es anfängt, gelb zu blühen, wird es leicht giftig (ich habe davon noch nichts gemerkt, aber mancher ist dafür empfindlich). Es bildet manchmal richtige Teppiche und hat keinen sehr auffälligen Geschmack, was es zu einem tollen Salatkraut macht. Früher wurde es gegen Frühjahrsmüdigkeit oder als Sitzbad bei unreiner Haut oder Hämorrhoiden angewendet. Aufpassen muss man, dass man es nicht mit der giftigen Sumpfdotterblume verwechselt, die aber nicht so sehr bodendeckend, sondern auch in die Höhe wächst und sich verzweigt. Ähnlich ist auch der ebenfalls giftige Haselwurz, der aber einen behaarten Stil und dunklere Blätter hat, die leicht ledrig aussehen und, wenn sie zerrieben werden unangenehm riechen.
Die Schafgarbe hat wunderschöne filigran gefiederte Blätter. Etwas später im Frühjahr blüht sie weiß auf. Sie ist nicht nur ein sehr aromatisches Salatkraut (natürlich auch in Smoothies, auf Brot etc. lecker), sondern wurde früher auch in Form von Tee als Arznei bei Bauchkrämpfen, v.a Menstruationsbeschwerden verwendet. Ich habe sie schon öfter zur Blutungsstillung genutzt: Zerkaut oder zerrieben auf blutende Wunde gelegt, hat sie die Blutung schnell gestoppt.

Achtung: Es gibt eine Reihe anderer Pflanzen mit gefiederten Blättern, die in die Familie der Doldenblütler gehören und giftig sind, wie Hundspetersilie oder Schierling. Diese riechen jedoch unangenehm und sind nicht so feingliedrig und zierlich wie die Scharfgarbe. Wichtiges Unterscheidungsmerkmal: Die Blätter der Schafgarbe sind wechselständig, das heißt, sie zweigen jeweils abwechselnd seitlich vom Stängel der Pflanze ab.

Hier kommt einer dieser Doldenblütler, aber ein ziemlich leckerer: Giersch. Er ist der Erzfeind der meisten Gärtner*innen, dabei ist er das einfachste Gemüse, das es gibt: Ohne, dass man irgendwas dafür tun müsste, bildet er dichte Teppiche, treibt jedes Jahr wieder aus und ist robust gegen so ziemlich alles. Dabei hat er einen so unaufdringlichen und doch würzigen Geschmack, dass man ihn in jeglicher Zubereitungsart essen kann. Wie bei den meisten anderen Kräutern werden seine Blätter immer fester, umso älter das Jahr wird, aber er treibt auch immer wieder frische hellgrüne Blätter, die am leckersten sind. Er enthält viele Vitamine, Eisen und ätherische Öle und wurde früher bei Verspannungen, entzündungsbedingten Krankheiten, Sonnenbrand und Insektenstichen angewendet.

Achtung: Die oben schon erwähnten Doldenblütler, die dem Giersch oft noch ähnlicher sehen, als der Schafgarbe und giftig sein können, wie Hundspetersilie oder Schierling riechen wie gesagt unangenehm und vor allem haben sie keinen dreikantigen Stengel, wie der Giersch.

Auch die Vogelmiere bildet richtige Teppiche. Sie kann so ziemlich überall wachsen, wo es leicht feucht ist und wird je nach Nährstoffangebot zwischen wenigen Zentimetern bis zu 30 Zentimeter hoch. Da alle Teile genießbar sind und sie lecker leicht nach jungem Mais schmeckt, kann man sie auch in größeren Mengen im Salat oder Smoothie verwenden (Riesenmengen dagegen empfehlen sich wegen des Saponingehalts nicht, aber Riesenmengen sollte man eh von nichts essen, das die eigene Verdauung nicht gewöhnt ist).

Die Vogelmiere kann man von anderen Mieren (derer viele auch essbar sind) eindeutig dadurch unterscheiden, dass die feinen Härchen in einer einzigen Linie an ihrem Stengel entlang wachsen, bei anderen Arten sind es mehrere Linien.

Mein Liebling unter der Wildkräutern ist die Brennnessel. Von vielen verschrien und aus vielen Gärten rausgerissen, ist sie ein wunderbar aromatisches Gemüse, das von alleine wächst. Sie schmeckt nicht nur toll, sondern enthält auch ein vielfaches des Vitamin-C-Gehaltes von Zitrusfrüchten, sowie viele Mineralien und Eisen. Ich esse sie gerne als Stärkungsmittel für Körper, Energie und Nerven. Man sagt ihr potenzsteigernde und sogar haarwuchsfördernde Wirkung nach und sie wird auch als stoffwechselfördernd und zur Blutreinigung angewendet. Die Brennhaare kann man einfach brechen und dadurch entschärfen. Dazu walzt man die Blätter entweder mit einem Nudelholz, oder einer Flasche platt, oder steckt sie in einen Beutel und knetet den kräftig durch, oder man zerkleinert sie im Mixer. Trocknen funktioniert auch und auch mit heißem Wasser überbrühen, oder einfach mitkochen hilft, auch wenn dabei natürlich ein paar Vitamine verloren gehen. Um sie unterwegs zu essen, hilft es aber auch, die Blätter beim Pflücken nur von unten zu berühren (dort haben die meisten Sorten keine Brennhaare), nach oben zusammenzufalten, vom Stengel abzustreifen und sie dann zusammen zu knautschen und zwischen den Fingerspitzen zu rollen. Auch die Samenstände, die sie im Spätsommer bildet, kann man essen. Davon gibt es männliche (die von der Pflanze abstehen) und weibliche (die runterhängen). Sie sollen so ziemlich alles enthalten, was der Mensch braucht, auf jeden Fall aber Fett und Eiweiß, was ja bei Kräutern selten ist. Manche stört das eventuell leichte Brennen der Samen auf der Zunge nicht, wer es aber vermeiden will, legt sie auf Zeitungspapier und lässt sie einen Tag trocknen. Wenn man sie länger trocknet, kann fallen sie von den Stengeln ab und man kann sie dann einfach aussieben, in ein Schraubglas geben und aufbewahren.

Verwechseln kann man sie natürlich mit der Taubnessel, der Goldnessel, oder auch der Nesselblättrigen Glockenblume, die sind aber alle ebenfalls essbar.

Wer es noch würziger mag, sollte mal Knoblauchsrauke probieren. Ja, sie schmeckt tatsächlich ziemlich nach Knoblauch und Pfeffer, allerdings sollte man sie auch bei ihr beeilen, denn je später im Jahr man sie pflückt, umso bitterer wird sie auch. (Dann kann man sie aber auch eine Stunde in Salzwasser legen, das die Bitterstoffe rauszieht und das man dann weggießt.) Wegen ihres starken Geschmacks ist sie vor allem als Würzkraut in Quark, aufs Brot oder in kleinen Mengen im Salat zu empfehlen, in größerer Menge in frischem Pesto. Auch die Blüten kann man als essbare Dekoration verwenden. Das Aroma ist leider flüchtig und geht beim Kochen und Trocknen verloren. Dafür riecht man aber auch nach dem Rohverzehr nicht, so wie nach Knoblauch oder Bärlauch. Sie soll bei der Wundheilung, z.B. bei Zahnfleischentzündungen helfen.

Verwechseln kann man sie mit Gundermann, der auch essbar ist (manche finden ihn lecker, andere überhaupt nicht).

Und auch hier zum Abschluss noch eine Wildfrucht: die Mahonien-Beere: Sie sind eigentlich im Herbst reif und können dann geerntet werden, aber da kaum jemand weiß, dass sie essbar sind, findet man auch jetzt im Frühjahr noch viele, die jetzt leicht getrocknet am Strauch hängen. Durch die Einwirkung von Frost werden sie, wie Hagebutten, Schlehen und Mispeln auch, meist sogar süßer. Trotzdem sind sie echt sauer, was sie zu einem erfrischenden Snack oder einem leckeren Säurungsmittel für Obstmuße macht. Die anderen Pflanzenteile sind giftig und auch von den Beeren sollte man nur kleine Mengen roh essen, größere Mengen sind aber möglich, wenn man sie kocht und die Kerne entfernt. Die Ureinwohner Nordamerikas nutzen sie traditionell zur Stärkung und Verdauungsförderung.

Da die Mahonie aufrecht stehend wächst und gezahnte Blätter hat, ist sie gut von anderen Pflanzen mit blauen Beeren zu unterscheiden, wie den eher ungefährlichen Rauschbeeren, Weißwurz-Beeren und Kriech-Heckenkirschen, die alle bodennah wachsen, oder der giftigen Jungfernrebe, die rankt. Ähnlich sehen die Europäische Stechpalme und die Berberitze aus, aber deren Früchte sind rot.

 

Natürlich ist auch gerade Bärlauch-Zeit, aber da der in der Umgebung so schwer zu finden und auch bald durch ist, überlasse ich das mal den Kenner*innen.
 
Wenn ihr ein bisschen Englisch könnt, kann ich euch übrigens die Website von Plants for a Future pfaf.org sehr empfehlen. Das ist eine Datenbank aller möglichen essbaren und medizinischen Pflanzen, die stetig erweitert wird. Dort findet man auch oft Anwendungen von Pflanzen, die andere aus Unwissenheit als ungenießbar ansehen.
 
In unserer Übersicht der essbaren und medizinischen Naturprodukte könnt ihr nachlesen, was es im April noch alles zu entdecken gibt.
 
Im nächsten Artikel wollen wir ein paar Tipps für sinnvolles Tun statt Langeweile mit allen teilen, die durch Corona gerade mehr Zeit haben und noch unsicher sind, wohin damit.

Schaut also demnächst mal wieder hier vorbei.